Lyskamm

22 Summits Stories

Dreharbeiten am Set der Extreme


Im Oktober 1920, wir befinden uns mitten in der Stummfilm-Ära, macht sich ein Filmteam aus Freiburg im Breisgau, bestehend aus vier Leuten, auf den Weg zur Monte-Rosa-Hütte. Es ist eine Zeit, in der das Skilaufen noch in den Kinderschuhen steckt. Bergsteigen ist ein Sport für eine kleine Elite.


Der Regisseur Dr. Arnold Fanck, selbst ein begeisterter Bergsteiger und Skifahrer, hat mit seinem Erstling „Das Wunder des Schneeschuhs“ 1920 das Publikum in Deutschland begeistert. Die Filme der Weimarer Zeit wurden bis anhin fast ausschließlich im Studio produziert - Arnold Fanck filmt draussen, exponiert, in wilder Natur. Ihm geht es um die Schönheit des Bildes: Er will die Menschen an der Wunderwelt der Berge teilhaben lassen. Sein erster Film, den er mit seinem langjährigen Kameramann Sepp Allgeier realisiert, ist ein Erfolg. Seine Geldgeber trauen ihm einen weiteren zu: „Im Kampf mit dem Berge 1. Teil In Sturm und Eis“, Produktionsort: Zermatt. Fanck ist nicht das erste Mal dort: 1911 unternimmt er als 22-jähriger mit seinem Freund Hans Rohde mehrere Gipfeltouren, u.a. den Zmuttgrat am Matterhorn in einer Wintererstbegehung. 1913 ist er Darsteller des (vermutlich) ersten Skifilms der Geschichte, „4628 Meter hoch auf Skiern. Besteigung des Monte Rosa“.


Lebendig und unterhaltsam beschreibt Arnold Fanck die Dreharbeiten in seiner Autobiographie. Sie müssen eine unglaubliche Schinderei für das Filmteam gewesen sein. Da die Gornergratbahn nicht fährt, machen sie sich mit einem halben Zentner Gepäck pro Person auf den Weg zur Hütte. Zwei Mulis transportieren fünf Zentner Holz, doch ab Rotenboden liegt der Neuschnee so hoch, dass sie das Holz in mehreren Etappen selber hochtragen müssen. Am ersten Drehtag filmen sie am Bruch des Zwillingsgletschers, der wegen seiner Eistürme und quaderartigen Eisblöcke „Die Zuckerfabrik“ genannt wird. Abends, sie sitzen beim Nachtmahl, hören sie wie alles zusammenbricht. Zweiter Tag: Filmen in einer Gletscherspalte des Grenzgletschers. Der Film fängt in der Kamera Feuer. Fanck kann ihn retten, dann droht das Stativ mit einer Schneebrücke einzubrechen. Am dritten Tag nehmen sie Angriff auf den Lyskamm, jeder mit 35 Pfund bepackt. Nach diesem Tag ist die Moral des Teams arg ramponiert. Fanck besteht auf einer Einstellung: Er will das Wolkenmeer hinüber zur Po-Ebene filmen. Diese Szene wird später in den Kinos bei jeder Vorführung beklatscht werden.


Der Abstieg droht zu einem Fiasko zu werden: Darsteller Hannes Schneider hat die Sturmlaternen vergessen. Sie fackeln Papiertüten ab, leuchten sich durch das Spaltengewirr heim. Nach 22 Stunden sind sie zurück in der Hütte. Hannes Schneider wirft sich mit Seil und Steigeisen auf die Strohmatte und wacht erst zehn Stunden später wieder auf. Die Sensation gelingt Ilse Rohde: Sie backt Apfelküchle und stellt so die Moral der Kollegen wieder her. Der Film wurde am 22. September 1921 in Berlin uraufgeführt. Er war ein grosser Erfolg. Die Filmmusik komponierte der 26-jährige Paul Hindemith.


Dr. Arnold Fanck drehte bis 1939 15 weitere Filme, darunter „Der Kampf ums Matterhorn“ (Regie: Luis Trenker, Drehbuch: Arnold Fanck), „Die weisse Hölle vom Piz Palü“, „Stürme über dem Montblanc“, „Der weisse Rausch“, „SOS Eisberg“. Er entdeckte Luis Trenker und Leni Riefenstahl. Da er sich weder den nationalsozialistischen Machthabern anbiederte, noch auswandern wollte, machte seine Karriere einen Knick. Sein Werk als Pionier des Berg- und Abenteuerfilms war lange in Vergessenheit geraten. Hier einige Einklicke zum Film mit Musik.



Weiterlesen

Arnold Fanck: Er führte Regie mit Gletschern Stürmen und Lawinen. Ein Filmpionier erzählt. Nymphenburger Verlagshandlung. München 1973. (Autobiographie)
Matthias Fanck: Arnold Fanck. Weisse Hölle – Weisser Rausch. Bergfilme und Bergbilder 1919-1939. AS Verlag, Zürich 2009


Weiterschauen

„Im Kampf mit dem Berge 1. Teil In Sturm und Eis“ wurde 2013 nach der erhaltenen Partitur von Paul Hindemith von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und dem Sender arte restauriert. Er steht seitdem als DVD zur Verfügung. Himmelhoch und Abgrundtief. Die Geschichte des Bergfilms (DVD). Buch und Regie: Hans-Jürgen Panitz und Matthias Fanck. 1997/2008.