Signalkuppe

22 Summits Stories

Experimente zu Ehren der Königin

 

Warmer Marsalawein, Eigelb in Rotwein, Bettruhe und Kokain: Es war eine abenteuerliche Behandlung, welche die Ärzte Pietro Ramella angedeihen liessen. Nach einem 48 Stunden-Aufstieg mit 20 Kilo-Rucksack auf die Signalkuppe im Monte Rosa-Massiv zur Capanna Regina Margherita litt der Soldat unter Kopfweh, Übelkeit, Pulsrasen und Blutspucken. Wir schreiben das Jahr 1894. Pietro Ramella gehörte zu einer Gruppe von Versuchspersonen um ein Experiment zur Erforschung der Höhenkrankheit. Der Turiner Physiologe Angelo Mosso führte gemeinsam mit 12 Wissenschaftlern die Untersuchungen in der noch heute als „Kopfwehkiste“ bekannten Bergsteigerunterkunft durch. Die Forschungsreise von 1894 wird in einem Artikel von Oswald Oelz, publiziert in der Bergmonographie „Monte Rosa. Königin der Alpen“, ausführlich dargestellt.

1893 wurde die Hütte durch den Club Alpino Italiano (CAI) zu Ehren der Königin Margherita von Savoyen (1851-1926), selbst eine begeisterte Bergsteigerin, errichtet. Auf 4556m inmitten des Monte Rosa-Gebiets gelegen, mehrfach erweitert, 1978 abgerissen und 1980 mit 70 Schlafplätzen neu erbaut, ist sie noch heute die höchstgelegene Bergsteiger-Unterkunft der Alpen. Und noch heute leiden mehr als die Hälfte ihrer Besucher an Erscheinungen der Höhenkrankheit, die bedingt ist durch Anpassungsstörungen bei Sauerstoffmangel.

Seit ihrer Errichtung gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist die Capanna Regina Margherita als Zentrum für höhenpsysiologische Forschung angelegt. Dort steigen nicht nur Alpinisten auf ihren Hochtouren ab, dort wird von jeher geforscht. Bis zum sogenannten Margherita Cocktail – gemeint ist nicht der Cocktail-Klassiker „Margarita“ mit Limettensaft, Orangenlikör und Tequila, sondern ein Mix aus Dexamethason, Nifedipin und Diamox, der zum Bergsteiger-Notfall-Set dazu gehört - sollten allerdings noch mehr als 100 Jahre vergehen. Noch heute beschäftigt das Gebiet der Höhenmedizin Wissenschaftler weltweit.

Wer alpinistische Ambitionen hegt - und seien sie noch so bescheiden - sollte sich Basiswissen zur Höhenkrankheit aneignen. Fehlende Akklimatisation und zu schneller Aufstieg sind die häufigsten Fehler von unerfahrenen Berg-Enthusiasten. Der rasche Abstieg, wenn möglich, ist bei typischen Beschwerden immer noch die beste Therapie.

 

Zur Capanna Regina Margherita


Zur Geschichte von Hütte & Höhenmedizin: Monte Rosa: Königin der Alpen. Hrsg.: Daniel Anker, Marco Volken, AS-Verlag, Zürich 2009. Basiswissen Höhenkrankheit: Thomas Lämmle: Höhe x Bergsteigen – Die taktischen Grundregeln des Höhenbergsteigens, DAV Summit Club, 2010 Basiswissen Hilfe am Berg: Erste Hilfe für Wanderer und Bergsteiger - Die Apotheke in Buchform, SAC-Verlag